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Digitaler Produktpass (DPP) & ESPR – Was Unternehmen aus der Industrie jetzt wissen müssen

Maximilian Lauber

Maximilian Lauber

Der digitale Produktpass (DPP) und die neue EU-Ökodesign-Verordnung für nachhaltige Produkte (Ecodesign for Sustainable Products Regulation, ESPR) sorgen derzeit für viele Fragen in der Industrie. Bei unseren Vorträgen zu diesen Themen wurde deutlich, wie groß das Informationsbedürfnis ist: In der anschließenden Fragerunde war großes Interesse an der praktischen Umsetzung des DPP, der Betroffenheit entlang der Lieferkette, den Fristen, Bestandsschutz und welche erste Schritte ein Unternehmen gehen sollte. Dieser Blogbeitrag greift die wichtigsten Fragen auf und liefert fundierte Antworten. Zudem zeigt er, wie Unternehmen strategisch vom DPP profitieren können, anstatt nur auf neue Pflichten zu reagieren.

Hintergrund: Warum ESPR und DPP jetzt strategisch relevant sind

Die Ecodesign for Sustainable Products Regulation (ESPR, zu deutsch Ökodesign-Verordnung) bildet einen zentralen Baustein des European Green Deal und der EU-Kreislaufwirtschaftsstrategie (bmwk.de). Ihr Ziel: Produkte über den gesamten Lebenszyklus nachhaltiger zu machen – durch Anforderungen an Langlebigkeit, Wiederverwendbarkeit, Reparierbarkeit, Ressourceneffizienz und mehr (ihk-hessen-innovativ.de).

Mit der ESPR macht die EU nachhaltige Produkte zur Norm: Die Verordnung ist am 18. Juli 2024 in Kraft getreten und ersetzt die bisherige Ökodesign-Richtlinie (umweltbundesamt.de). Anders als ihr Vorgänger gilt sie nicht mehr nur für energieverbrauchsrelevante Geräte, sondern für nahezu alle physischen Produkte – von Textilien über Möbel bis zu Maschinen (umweltbundesamt.de). Nur wenige Bereiche sind ausgenommen (z. B. Arzneimittel, Lebensmittel, Fahrzeuge) (ihk.de). Das heißt, praktisch die gesamte Industrie wird erfasst, inklusive Bauteile, Zwischenprodukte, Online-Handel und Importware (umweltbundesamt.de). 

Ein Kernelement der neuen Verordnung ist der digitale Produktpass (DPP), ein digitales Datenblatt, das wichtige Informationen eines Produkts über seinen gesamten Lebenszyklus zugänglich macht (umweltbundesamt.de). Der DPP soll damit Transparenz schaffen (bga.de). Verbrauchern, Unternehmen und Behörden ermöglicht der DPP fundierte Entscheidungen im Sinne der Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft – etwa durch Informationen zu verwendeten Materialien, Reparaturmöglichkeiten, Recyclingfähigkeit und Umweltauswirkungen eines Produkts (ihk.de). Kurz: ESPR und der Digitale Produktpass sind kein Nischenthema für Nachhaltigkeitsexpert:innen – sie werden zur Voraussetzung, um in der EU auch künftig konform verkaufen zu dürfen (ihk.de). Gleichzeitig bieten sie die Chance, Transparenz und zirkuläres Design strategisch zu nutzen – etwa für Ausschreibungen, Kundenbindung und neue Geschäftsmodelle.  

Im April 2025 hat die EU-Kommission den Arbeitsplan 2025–2030 für die ESPR vorgestellt, der die ersten Produktgruppen und Zeitpläne für konkrete Anforderungen festlegt. Damit wird greifbar, wann welche Branchen mit delegierten Rechtsakten (produktgruppenspezifischen Regeln) zu rechnen haben und somit von der ESPR betroffen sind. Einen Vorgeschmack darauf, wie eine solche Verordnung aussehen kann, liefert die am 20.06.2025 endgültig in Kraft getretene Ökodesign-Verordnung für Smartphones und Tablets – wenngleich sie noch auf der vorherigen Rechtsgrundlage fußt (und im Laufe der ESPR eine Überarbeitung 2030 angedacht ist) (eur-lex.europa.eu).

Jetzt ist also der richtige Zeitpunkt, sich mit DPP & ESPR auseinanderzusetzen und strategisch die Weichen zu stellen.

FAQ: Vier drängende Fragen aus der Praxis

I. Wer ist betroffen – und wie konkret?

Kurz gesagt: Nahezu alle Hersteller physischer Produkte, viele Zulieferer sowie Importeure sind vom DPP und der ESPR irgendeiner Art betroffen. Die Verordnung gilt grundsätzlich für alle Waren, die in der EU in Verkehr gebracht oder in Betrieb genommen werden, inklusive Komponenten und Vormaterialien – unabhängig vom Herstellungsort (ihk.de). Entscheidend ist, dass das Produkt auf dem EU-Markt angeboten wird. Ausnahmen gibt es nur wenige, zum Beispiel Arzneimittel, Futtermittel, Lebensmittel, Fahrzeuge oder Militärgüter (ihk.de). Für diese entstehen jedoch meist eigene Rechtsakte für ihr Produktdesign außerhalb der ESPR.

Damit unterliegen Industrieunternehmen aller Branchen den neuen Regeln, vom Maschinen- und Anlagenbau über Konsumgüter bis zur Elektronik. Konkret dürfen die betroffenen Produktgruppen künftig nur noch mit einem gültigen digitalen Produktpass auf den Markt gebracht werden (ihk.de). Verantwortlich dafür ist das Unternehmen, das ein Produkt erstmals in der EU bereitstellt – in der Regel der Hersteller oder Importeur (ihk.de). Dieses Unternehmen muss dafür sorgen, dass der DPP sämtliche vorgeschriebenen Informationen enthält und aktuell hält.

Zulieferer und nachgelagerte Akteure der Wertschöpfungskette sind indirekt ebenfalls involviert. Da der DPP Informationen über Materialien, Komponenten, Herkunft, Nutzung, Haltbarkeit etc. umfasst (ihk.de), müssen Hersteller diese Daten oft bei ihren Lieferanten einholen und entlang der Lieferkette zusammentragen. Jeder, der an Herstellung, Verarbeitung oder Import eines In-Scope-Produkts beteiligt ist, wird also beitragen müssen, die erforderlichen Produktdaten bereitzustellen. Die gesamte Lieferkette steht somit in der Verantwortung, Transparenz über die Produkt-Nachhaltigkeit herzustellen. Positiv ist: Online-Händler und Importeure werden einbezogen, wodurch keine Schlupflöcher entstehen – es gelten einheitliche Regeln für alle Marktteilnehmer (haendlerbund.de). Zudem wird den Besonderheiten von KMU Rechnung getragen: Kleine und mittlere Unternehmen sind von einigen Anforderungen ausgenommen bzw. erhalten besondere Unterstützung und längere Fristen (umweltbundesamt.de, ihk-hessen-innovativ.de). Wie im Detail diese KMU-Anpassungen aussehen werden, ist noch nicht final geklärt. Insgesamt gilt: Jedes Unternehmen sollte prüfen, ob seine Produkte unter die ESPR fallen und wer intern die Umsetzung des DPP verantwortet – denn Wegducken ist keine Option.

II. Was muss ich konkret umsetzen – und bis wann?

Konkret umzusetzen sind zum einen neue Produktdesign-Anforderungen (z. B. Mindeststandards für Energieeffizienz, Rezyklatanteil, Langlebigkeit, Reparierbarkeit etc.) und zum anderen Informationspflichten wie der digitale Produktpass (ihk.de). Die genauen Pflichten hängen von der jeweiligen Produktgruppe ab und werden in den kommenden Jahren nach und nach durch delegierte Rechtsakte festgelegt (umweltbundesamt.de). Es gibt also nicht „den einen Stichtag“ für alle Branchen, sondern einen gestaffelten Fahrplan je Produktgruppe. 

Laut Arbeitsplan 2025–2030 der EU-Kommission werden die ersten delegierten Verordnungen bereits 2026 angenommen. Ab dann gilt jeweils eine Übergangsfrist von 18 Monaten, bevor die neuen Anforderungen für die betroffenen Produkte verbindlich werden (umweltbundesamt.de). Die allerersten Produktpässe dürften somit Ende 2027 zur Pflicht werden (ihk.de) – beispielsweise für Haushalts-Waschmaschinen, -Trockner und Geschirrspüler, aber auch für gewerbliche Geräte in Wäschereien und Großküchen sowie für bestimmte Heizungsprodukte. Weitere Produktgruppen folgen im Jahrestakt. Die folgende Übersicht zeigt einige Beispiele aus dem aktuellen ESPR-Arbeitsplan:


 

ESPR-Arbeitsplan mit geplanten Annahmen und Produkten 

2026: Haushalts-Geschirrspüler, Haushalts-Waschmaschinen/-Trockner, Professionelle Geschirr- und Waschmaschinen, Niedertemperatur-Heizkörper/Systeme
2027: Elektronische Displays (Bildschirme, TVs, Monitore)
2028: Ladegeräte für E-Fahrzeuge, Kühl- und Gefriergeräte (Haushalt + Kühlgeräte mit Verkaufsfunktion), Elektromotoren
2029: Lichtquellen (Lampen) und Betriebsgeräte (Vorschaltgeräte)
2030: Smartphones und Tablets, Wäschetrockner, Schweißgeräte, Stand-by-Elektronik

 

Quelle: EU-Kommission, Working Plan 2025–2030 (vorläufige Planung der ersten ESPR-Maßnahmen).

 

Deutlich wird: Ab 2026/27 geht es los. Unternehmen aus den zuerst geregelten Bereichen – etwa Hausgerätehersteller, Display- und Elektronikproduzenten, Heiztechnik, Automotive-Ladeinfrastruktur usw. – müssen dann zügig liefern. Doch auch Branchen wie Textil, Möbel, Chemie oder Bauprodukte sollten vorbereitet sein: Sie standen zwar nicht im Fokus des ersten Arbeitsplans (umweltbundesamt.de), könnten aber über die Mid-Term-Review (ca. 2028) oder spätere Arbeitspläne folgen. Wichtig für alle: Sobald für eine Produktgruppe eine delegierte Verordnung erlassen wird, tickt die Uhr. Nach 20 Tagen tritt sie EU-weit in Kraft, und nach 18 Monaten dürfen nur noch konforme Produkte verkauft werden (umweltbundesamt.de). In dieser Übergangszeit sind beispielsweise die digitalen Produktpässe zu erstellen, interne Prozesse umzustellen und höchstwahrscheinlich Nachbesserungen an Produktdesign und -tests vorzunehmen. Einen generellen Bestandsschutz für ältere Produkte gibt es faktisch nicht – ausgenommen sind lediglich bereits im Markt befindliche Waren, solange sie nicht neu in Verkehr gebracht werden. Wer also absehen kann, dass seine Produkte ab 2026+ unter neue Vorschriften fallen, sollte jetzt mit den Vorbereitungen beginnen. 

III. Was steckt hinter dem DPP technisch und organisatorisch?

Der digitale Produktpass ist im Grunde ein produktbezogener Datensatz, der über einen digitalen Träger (z. B. QR-Code, RFID oder digitale Plattform) abrufbar ist. Technisch fungiert er als „digitaler Ausweis“ eines Produkts (commission.europa.eu), auf den berechtigte Akteure elektronisch zugreifen können. Wichtig: Es wird kein einzelnes zentrales EU-Datenbank-System geben, das alle Produktinformationen speichert. Stattdessen soll ein übergreifendes System entstehen: Jedes Produkt erhält eine eindeutige digitale Kennung, die in einem EU-Register hinterlegt wird (dieses Produktpass-Register will die EU-Kommission bis Juli 2026 aufbauen) (productip.com). Der eigentliche Dateninhalt des Passes kann dezentral gespeichert sein – etwa auf den Servern des Herstellers oder bei einem qualifizierten DPP-Dienstleister, der als Trust Center eine Sicherungskopie der Produktdaten über die Produktlebensdauer gewährleistet. Zusätzlich ist ein öffentliches Web-Portal geplant, über das man die registrierten Produktpässe finden und bestimmte Daten einsehen und vergleichen kann (bundesnetzagentur.de). Der Zugriff auf die Pass-Daten erfolgt rollenbasiert nach dem Need-to-know-Prinzip: Verbraucher sehen z. B. nur ausgewählte Infos, während Entsorger oder Behörden tiefergehende Details abrufen können. Die Datenformate und Schnittstellen sollen auf offenen, herstellerneutralen Standards beruhen – entsprechende Standardisierungsprozesse hat die EU bereits bei CEN/CENELEC angestoßen.

Inhaltlich wird der DPP je nach Produktgruppe unterschiedliche Informationen enthalten, festgelegt durch die jeweiligen delegierten Rechtsakte. Denkbar (und bereits im Gesetz vorgegeben) sind z. B.: Angaben zum Hersteller, eine Produktidentifizierung (GTIN/Seriennr.), technische Produktdaten, verwendete Materialien und deren Herkunft, enthaltene kritische oder besorgniserregende Stoffe, Umwelt- und CO₂-Fußabdruck, Energieverbrauch, Hinweise zu Gebrauch, Wartung und Reparatur sowie Informationen zur Zerlegung und Recyclingfähigkeit (commission.europa.eu). Ein Teil dieser Daten wird öffentlich im Produktpass stehen (z. B. Herstellername, Gebrauchsanleitungen, nachhaltigkeitsrelevante Kennzahlen), während andere Daten nur bestimmten Akteuren zugänglich sein könnten (etwa genaue Materialzusammensetzungen nur für Recyclingbetriebe oder Behörden). Der DPP begleitet das Produkt über seinen ganzen Lebenszyklus und soll lückenlose Rückverfolgbarkeit ermöglichen. So können z. B. bei einer Rückrufaktion alle betroffenen Komponenten schneller identifiziert oder beim Recycling die Materialinformationen direkt ausgelesen werden. Auch Zollbehörden können automatisiert prüfen, ob ein Importprodukt einen gültigen DPP besitzt (commission.europa.eu).

Organisatorisch bedeutet die Einführung des DPP für Unternehmen vor allem eines: Datenmanagement. Firmen müssen relevante Produktdaten, die bisher oft verstreut in Abteilungen oder bei Zulieferern liegen, systematisch erfassen und pflegen. Die Verordnung schreibt vor, dass alle DPP-Informationen richtig, vollständig und aktuell sein müssen (ihk.de). Das erfordert klare Verantwortlichkeiten im Unternehmen – typischerweise eine interdisziplinäre Aufgabe, die Entwicklung, Qualitätsmanagement, IT und Compliance verbindet. Viele Unternehmen stehen hier vor der Herausforderung, interne Datensilos aufzubrechen und Prozesse für den unternehmensübergreifenden Datenaustausch aufzusetzen. Zudem müssen sie sich auf technische Standards (z. B. einheitliche Datenformate, Schnittstellen) einigen, damit Informationen entlang der Lieferkette verlustfrei fließen können. Die EU-Standardisierung wird hierzu Leitplanken liefern, aber die Umsetzung im Detail – etwa die Wahl geeigneter Identifikations-Technologien (QR-Code vs. RFID etc.) oder die Integration in bestehende IT-Systeme (ERP, PLM) – wird praxisnah von den Unternehmen gemeinsam mit Branchenverbänden erarbeitet werden müssen. Erste Initiativen laufen bereits, z. B. erarbeitet ein CEN Workshop aktuell Gestaltungsrichtlinien für den DPP, um Unternehmen bei der Entscheidung für Datenmodelle, Datenträger und Austauschprozesse zu unterstützen (cencenelec.eu).

Unterm Strich ist der digitale Produktpass technisch keine Quantenmechanik, aber in der organisatorischen Umsetzung anspruchsvoll. Unternehmen tun gut daran, frühzeitig ihre Produktdaten-Architektur zu prüfen und auszubauen. Wer hier modern aufgestellt ist, kann die kommenden Anforderungen vergleichsweise leicht erfüllen – und hat zugleich eine wertvolle Datenbasis, um interne Abläufe zu optimieren und neue Services (etwa digitale Zwillinge oder Rücknahmesysteme) zu entwickeln. So kann der DPP zum Enabler für wirtschaftliche Chancen für ergänzende und neue Geschäftsmodelle werden. 

IV. Wie gelingt der Einstieg pragmatisch?

Angesichts der Komplexität von DPP und ESPR stellt sich vielen die Frage: Wie anfangen? Zunächst die gute Nachricht: Kein Unternehmen muss von heute auf morgen einen perfekten digitalen Produktpass vorweisen. Es geht vielmehr darum, jetzt schrittweise die Weichen zu stellen. Folgende pragmatische Schritte haben sich in der Praxis bewährt:

  • Bewusstsein schaffen & Zuständigkeit klären: Machen Sie in Ihrer Organisation deutlich, dass der DPP gekommen ist, um zu bleiben. Verankern Sie das Thema idealerweise auf höchster Ebene (Management/Strategie), denn es betrifft Produktstrategie und Geschäftsmodell - nur so lassen sich die wirtschaftlichen Potentiale am Ende nutzen. Bestimmen Sie eine verantwortliche Person oder ein Kernteam, das die DPP-Umsetzung koordiniert (z. B. in der Stabstelle Nachhaltigkeit oder Produktmanagement).
  • Betroffenheit analysieren: Prüfen Sie, ob und wann Ihre Produkte (oder welchen Sie zuliefern) voraussichtlich unter ESPR-Maßnahmen fallen. Die ESRP-Arbeitsgruppe der EU und Branchenverbände, wie die IHK, informieren hierzu laufend. Schauen Sie auch auf kundenseitige Anforderungen: Einige Vorreiter-Unternehmen verlangen bereits heute von ihren Lieferanten Produktdaten für Nachhaltigkeitsbewertungen. Aus der Betroffenheitsanalyse leiten Sie die grobe Timeline für Ihr DPP-Projekt ab – wer z. B. ab 2027 liefern muss, hat praktisch nur ~2 Jahre für Pilot, Implementierung und Roll-out.
  • Datenlage und Lücken erfassen: Nehmen Sie Ihre Produktdaten unter die Lupe. Welche nachhaltigkeitsrelevanten Infos sind schon verfügbar (z. B. Materialdatenblätter, Lifecycle Assessments) und welche fehlen noch? Oft liegen bereits 60–80% der benötigten Daten vor, aber verstreut und inhomogen. Identifizieren Sie die Datenquellen (interne Systeme, Lieferanten, Zertifikate etc.) und bauen Sie ein Datenmodell, das alle DPP-Felder abdecken kann. Wichtig ist auch, festzustellen, wo Datenqualität oder Aktualität unzureichend sind – denn der DPP verlangt verlässliche, regelmäßig aktualisierte Daten.
  • Pilotprojekt starten: Wählen Sie ein Pilot-Produkt oder eine Produktfamilie, um den DPP prototypisch umzusetzen. Fangen Sie überschaubar an, z. B. mit einem Fokus auf eine Kern-Nachhaltigkeitskennzahl (wie CO₂-Fußabdruck oder Rezyklatanteil) und den dafür benötigten Daten. Testen Sie den Austausch mit einem oder zwei Lieferanten – etwa indem Sie gemeinsam Produktmaterialdaten digital teilen. Parallel können Sie interne Workflows erproben: Wie fließen Daten von der Entwicklung bis zum Service? Der Pilot sollte auch die IT-Seite adressieren: Evaluieren Sie, ob bestehende Software (ERP/PLM) DPP-Funktionen bereitstellen kann oder ob neue Tools nötig sind. Lernen Sie aus dem Pilot, dokumentieren Sie Hürden (z. B. unbekannte Daten, Systembrüche) und entwickeln Sie einen Skalierungsplan.
  • Quick Wins identifizieren: Überlegen Sie, welche Sofortnutzen sich aus besserem Produktdatenmanagement ergeben. Gibt es manuelle Dokumentationsprozesse, die durch digitale Daten überflüssig werden? Können Sie bestimmte Nachhaltigkeitsdaten schon heute vermarkten (z. B. ein Produkt als besonders langlebig auszeichnen, weil Sie nun die Daten dafür haben)? Solche Quick Wins helfen, intern Rückhalt für das DPP-Projekt zu schaffen – es wird dann nicht nur als „Compliance“ gesehen, sondern als Schritt zu modernerer, effizienterer Produktverwaltung.

Kurzum: Pragmatismus heißt, einfach anfangen – mit dem, was da ist, und in kleinen Schritten. Wichtig ist, dass man überhaupt startet und lernt. Die Perfektion des digitalen Produktpasses wird sich mit den kommenden Standards und Erfahrungen ergeben. Wer jedoch abwartet, bis „alles in Stein gemeißelt" ist, riskiert am Ende Zeitdruck und Wettbewerbsnachteile.

Vom DPP zur Chance – strategisch denken statt nur reagieren

Viele Unternehmen betrachten neue Regulierungen zunächst als Bürokratie und Kostenfaktor. Doch beim digitalen Produktpass lohnt es sich, einen anderen Blickwinkel einzunehmen: Richtig angegangen, wird der DPP zum Business Enabler. Durch die Informationen innerhalb des DPP sowie die neu gewonnene Möglichkeit, seine Produkte rückzuverfolgen und engeren Kundenkontakt zu halten, können zirkuläre Geschäftsmodelle wirtschaftlich erfolgreich umgesetzt werden. Man sollte also strategisch denken statt nur reagieren. Wie kann das gelingen? Indem der Implementierungsprozess als Chance zur digitalen Transformation genutzt wird. Die oben gezeigten vier Phasen bieten einen Leitfaden:

  • Phase I: Datenidentifikation & -erfassung
    Ziel: Verständnis schaffen, welche Produktdaten für Nachhaltigkeit und Compliance relevant sind, und diese systematisch erfassen. 
    Fokus: alle relevanten Datenquellen identifizieren (intern und bei Zulieferern) und ein grundlegendes Datenmodell aufbauen, das diese Informationen strukturieren kann. 
    Typische Hürde: Datensilos und unklare Zuständigkeiten – häufig sind benötigte Informationen über verschiedene Abteilungen verteilt, ohne zentralen Owner. Hier kann das DPP-Projekt Klarheit schaffen und Datenflüsse erstmals ganzheitlich abbilden.
  • Phase II: Datenmanagement & -austausch
    Ziel: Die erfassten Daten in passende Strukturen bringen und sicher entlang der Wertschöpfungskette austauschen. 
    Fokus: Etablierung von Standards, Formaten und Zugriffsrechten – z. B. Nutzung einheitlicher Materialdaten-Standards oder Schnittstellen wie OPC UA  sowie Regeln, wer welche Daten sehen oder ändern darf. 
    Hürde: Medienbrüche (Papier, PDF statt digital), Systembarrieren (nicht integrierte IT-Systeme) und fehlendes Vertrauen in der Supply Chain beim Teilen von Daten. Hier zahlt sich Kooperation aus: Branchenweite Formate (z. B. über Verbände) und Pilotprojekte mit Lieferanten können den Austausch erleichtern.
  • Phase III: Datennutzung & -analyse 
    Ziel: Aus den gesammelten Daten Transparenz schaffen und Optimierungspotenziale identifizieren. 
    Fokus: Auswertung und Analyse der Daten, um Erkenntnisse zu gewinnen – etwa Hotspots im CO₂-Fußabdruck der Produkte erkennen, Verbesserungspotenziale in Design oder Prozess ableiten, Produktkreisläufe schließen (z. B. durch Rücknahme und Wiederaufarbeitung). 
    Hürde: Fehlende KPIs und zu sehr rückwärtsgewandte Sicht. Viele Firmen messen bislang wenig in Bezug auf zirkuläre Performance. Es gilt, die richtigen Kennzahlen zu definieren (z. B. % recycelter Materialien) und eine vorausschauende Sicht einzunehmen: Daten nicht nur für den Regulierungsreport sammeln, sondern für zukünftige Entscheidungen nutzen (Stichwort: vorausschauende Wartung, Design-for-Recycling etc.).
  • Phase IV: Integration in Prozesse & Strategien
    Ziel: Den digitalen Produktpass fest in die Unternehmensprozesse und -strategie einbetten, sodass er dauerhaft Mehrwert liefert. 
    Fokus: Verankerung des DPP in Kernfunktionen – vom Einkauf (Lieferanten verpflichten, nötige Daten zu liefern) über die Produktentwicklung (Nachhaltigkeitsziele als feste Anforderungen definieren, mit DPP-Daten überprüfen) bis zu den Geschäftsstrategien für Kreislaufwirtschaft. Der DPP kann so als Enabler für neue Geschäftsmodelle dienen: z. B. Product-as-a-Service-Konzepte, bessere After-Sales-Services dank Produktdaten oder Marketingvorteile durch nachweislich nachhaltigere Produkte. 
    Hürde: Anfangs herrscht oft Zuständigkeitschaos – niemand fühlt sich allein verantwortlich – und es fehlen klare Governance-Strukturen. Daher sollte Phase IV von der Geschäftsführung unterstützt werden: Es braucht definierte Verantwortliche, Budgets und Ziele, um den DPP zu einem integralen Bestandteil der Wertschöpfung zu machen.

Über alle Phasen hinweg gilt: Change-Management ist wichtig. Die Belegschaft muss verstehen, warum der digitale Produktpass nicht nur „noch ein Extra-Aufwand“ ist, sondern langfristig Prozesse erleichtert, Kosten sparen kann (etwa durch effizienteres Materialmanagement) und Wettbewerbsvorteile bringt. Hier hilft es, positive Visionen zu zeichnen – z. B. wie man mit Hilfe des DPP eines Tages völlig neue Services anbieten oder in Ausschreibungen punkten kann. Unternehmen, die die DSGVO rein als lästige Pflicht ansehen, verpassen Chancen, die sich aus den gewonnenen Produktdaten ergeben. Dabei tragen diese Unternehmen die anfänglichen Mehrkosten aufgrund der Regulatorik ohnehin - also warum nicht nutzen?

Nächster Schritt: ESPR & DPP Quick Assessment

Nach der Theorie kommt die Praxis: Wo steht mein Unternehmen heute?
Ein strukturiertes Quick Assessment hilft, diese Frage fundiert zu beantworten – fokussiert, pragmatisch und ohne monatelange Projekte.

In einem kompakten Format (z. B. Fragebogen, Workshop oder Hybridmodell) analysieren wir gemeinsam:

  • die Reife Ihrer Produktdaten & Systemlandschaft,
  • den Kenntnisstand zu ESPR-relevanten Anforderungen,
  • den Stand der strategischen Verankerung in Organisation und Prozessen,
  • die Einbindung von Lieferanten und Schnittstellen,
  • und nicht zuletzt: Ihre Chancenräume durch intelligente Datennutzung.

Das Ziel: ein klar priorisierter Handlungsrahmen – mit Sofortmaßnahmen, Rollenklärung, möglichem externem Unterstützungsbedarf und konkreten Vorschlägen für erste Pilotprodukte.
Das Quick Assessment schafft zudem Awareness im Management und hilft, intern gezielt Ressourcen zu mobilisieren – statt aktionistisch „irgendwo anzufangen“.

Unser Tipp: Beginnen Sie in den kommenden Wochen mit einem unkomplizierten Quick Assessment. Dies kann als Ausgangspunkt dienen, um anschließend einen detaillierten DPP-Fahrplan 2025/2026 zu erstellen – rechtzeitig bevor die ersten regulatorischen Meilensteine greifen.

 

(Hinweis: Wir bieten ein solches "ESPR & DPP Quick Assessment" an. Sprechen Sie uns bei Interesse gern an – das Format ist darauf ausgelegt, innerhalb weniger Tage eine Standortbestimmung und Roadmap zu erarbeiten. Dieser Hinweis erfolgt als Empfehlung, nicht als Werbeaussage.)

 

 

 

 

Fazit: Jetzt mit Struktur starten

Die ESPR und der Digitale Produktpass markieren einen Wendepunkt: Weg von reiner Compliance hin zu struktureller Transparenz und echter Nachhaltigkeit.  Ja – der Einstieg fordert Kapazitäten. Aber wer heute handelt, sichert sich morgen Zugang zu neuen Märkten, stärkt Kundenbindung durch nachvollziehbare Informationen und steigert interne Effizienz. Daten, die bisher verstreut und ungenutzt waren, werden zur Basis für strategische Entscheidungen, Ressourceneinsparung – und ganz neue Geschäftsmodelle. Die Spielregeln in Europa verändern sich – langlebige, zirkuläre und nachvollziehbare Produkte werden zum neuen Standard. Wer Schritt für Schritt vorgeht – mit Wissen, Klarheit und realistischen Etappen –, legt den Grundstein für nachhaltigen Erfolg.

 

Oder kurz gesagt: Starten Sie jetzt – mit Struktur, Weitblick und dem Mut, Neues zu probieren. Die Weichen sind gestellt, der Fahrplan steht. Machen wir uns auf den Weg in die Zukunft der transparenten, nachhaltigen Produkte!

Interesse, Impact zu schaffen?

Kontaktieren Sie mich gerne!

Maximilian Laubner

Sustainability Consultant

Maximilian Lauber