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Die EU-Taxonomie - Super-Tool für den Mittelstand

Nachhaltigkeit wird zum Erfolgsfaktor – und die EU-Taxonomie liefert dafür den Rahmen. Auch für mittelständische Unternehmen eröffnet sie neue strategische Spielräume.

Nachhaltigkeit mit System: Die EU-Taxonomie als strategisches Werkzeug für den Mittelstand

Mit der EU-Taxonomie hat die Europäische Union als Teil des Green Deals ein Klassifizierungssystem geschaffen, das festlegt, welche wirtschaftlichen Aktivitäten als ökologisch nachhaltig gelten. Grundlage dafür sind klare, technische Bewertungskriterien. Damit entsteht erstmals ein einheitlicher Rahmen, der messbar macht, was nachhaltiges Wirtschaften in der Praxis bedeutet. Für Unternehmen, insbesondere im Mittelstand, gewinnt diese Systematik zunehmend an Bedeutung. Wer seine Geschäftsaktivitäten an der EU-Taxonomie ausrichtet, kann nicht nur Transparenz schaffen, sondern auch den Zugang zu Kapital erleichtern und langfristig die eigene Wettbewerbsfähigkeit stärken.

 

In diesem Beitrag zeigen wir, wie die EU-Taxonomie funktioniert, was sie für mittelständische Unternehmen bedeutet und welche strategischen Potenziale sich daraus ergeben.

Wer ist von der EU-Taxonomie betroffen

Die EU-Taxonomie gilt nicht für alle Unternehmen gleichermaßen. Berichtspflichtig sind derzeit:

  • Unternehmen von öffentlichem Interesse, die unter das CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz (CSR-RUG) oder die neue Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) fallen (z. B. große Kapitalgesellschaften, börsennotierte Unternehmen, bestimmte Kreditinstitute und Versicherungen)
  • Finanzmarktteilnehmer, die nach der Sustainable Finance Disclosure Regulation (SFDR) zur Nachhaltigkeitsberichterstattung verpflichtet sind (z. B. Vermögensverwalter, Investmentfonds, Banken)

Mittelständische Unternehmen, die nicht unter diese Regelungen fallen, sind nicht automatisch berichtspflichtig, können die Taxonomie aber freiwillig nutzen, etwa zur Vorbereitung auf zukünftige Anforderungen, in der Zusammenarbeit mit Großkunden oder im Rahmen nachhaltiger Finanzierungsprojekte.

Wie die EU-Taxonomie Nachhaltigkeit im Unternehmenskontext neu definiert

Rahmenwerke wie die UN Sustainable Development Goals (SDGs) haben den Begriff der Nachhaltigkeit in den vergangenen Jahren global sichtbar gemacht und grundlegende Ziele in Bezug auf die nachhaltige Entwicklung gesetzt. Was dabei jedoch häufig offen blieb, ist die Frage, ob die konkreten wirtschaftlichen Aktivitäten eines Unternehmens tatsächlich als nachhaltig einzustufen sind.

Die EU-Taxonomie setzt genau hier an. Sie definiert ökologische Nachhaltigkeit anhand verbindlicher, technischer Kriterien mit dem Ziel, Kapitalflüsse gezielt in nachhaltige Wirtschaftsaktivitäten zu lenken. Damit wird erstmals eine systematische Grundlage geschaffen, um Investitionen und unternehmerisches Handeln mit den übergeordneten Umweltzielen der EU in Einklang zu bringen.

Unternehmen, die unter die Berichtspflicht fallen, müssen zunächst prüfen, ob ihre wirtschaftlichen Aktivitäten grundsätzlich taxonomiefähig sind, also ob sie im Katalog der von der EU definierten Aktivitäten enthalten sind. Nur diese Aktivitäten können überhaupt in den Anwendungsbereich der Taxonomie fallen. Im nächsten Schritt wird bewertet, ob diese Tätigkeiten auch taxonomiekonform sind. Das bedeutet, dass sie die technischen Bewertungskriterien vollständig erfüllen, keine erheblichen negativen Auswirkungen auf andere Umweltziele haben (“Do No Significant Harm”) und die sozialen Mindeststandards (“Minimum Safeguards”) einhalten. Für jede taxonomiefähige und taxonomiekonforme Aktivität müssen anschließend die damit verbundenen finanziellen Kennzahlen angegeben werden – also welcher Anteil des Umsatzes, der Investitionen (CapEx) und der Betriebsausgaben (OpEx) auf diese Aktivitäten entfällt.

Die 6 Umweltziele der EU-Taxonomie

  1. 1. Klimaschutz
  2. 2. Anpassung an den Klimawandel
  3. 3. Nachhaltige Nutzung und Schutz von Wasser- und Meeresressourcen
  4. 4. Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft
  5. 5. Vermeidung und Verminderung von Umweltverschmutzung
  6. 6. Schutz und Wiederherstellung der Biodiversität und Ökosysteme

Was hinter den technischen Bewertungskriterien steckt

In der EU-Taxonomie ist für jede erfasste wirtschaftliche Aktivität genau definiert, welche technischen Anforderungen erfüllt sein müssen, damit sie als ökologisch nachhaltig gilt. Diese Bewertungskriterien stellen eine zentrale Stärke der EU-Taxonomie dar.

Ein Beispiel: Im Gebäudesektor hängt die Nachhaltigkeit eines Bauteils, etwa eines Fensters, einer Tür oder eines Dachs, vom sogenannten U-Wert ab. Dieser beschreibt die Wärmedurchlässigkeit eines Bauelements. Nur wenn bestimmte Schwellenwerte unterschritten werden (und zusätzlich die weiteren Kriterien erfüllt sind), gilt das Produkt als taxonomiekonform.

Ähnlich klar sind die Vorgaben für andere Sektoren. So darf etwa bei der Stahlproduktion ein definierter Grenzwert für CO₂-Emissionen pro Tonne produziertem Stahl nicht überschritten werden, damit der Herstellungsprozess als nachhaltig anerkannt wird.

 

Für Unternehmen bedeutet das: Die Taxonomie liefert keine allgemeinen Absichtserklärungen, sondern konkrete, überprüfbare Kriterien. Dadurch wird erstmals klar festgelegt, unter welchen Bedingungen eine Tätigkeit als ökologisch nachhaltig gilt – nicht nur für das Unternehmen selbst, sondern auch für Zulieferer, Kunden und Investoren entlang der gesamten Wertschöpfungskette.

Soziale Nachhaltigkeit und Sorgfaltspflichten entlang der Lieferkette

Neben ökologischen Kriterien berücksichtigt die EU-Taxonomie auch soziale Mindestanforderungen, die sogenannten „Minimum Safeguards“. Sie stellen sicher, dass wirtschaftliche Aktivitäten nur dann als nachhaltig gelten, wenn auch grundlegende Menschen- und Arbeitsrechte eingehalten werden.

Die Mindestschutzmaßnahmen basieren auf international anerkannten Standards wie den Leitprinzipien der Vereinten Nationen für Wirtschaft und Menschenrechte sowie den Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO). Unternehmen müssen sicherstellen, dass ihre Tätigkeiten (einschließlich ihrer Lieferketten) menschenrechtliche Sorgfaltspflichten wahren, faire Arbeitsbedingungen garantieren und grundlegende Sozialstandards erfüllen.

Für Unternehmen bedeutet das: Es reicht nicht aus, nur technische Umweltkriterien zu erfüllen. Auch interne Richtlinien, Einkaufspraktiken und Prozesse zur Überwachung der Lieferkette müssen daraufhin geprüft werden, ob sie mit diesen Mindestanforderungen in Einklang stehen.

Ein konkretes Beispiel, das die Bedeutung dieser Anforderungen verdeutlicht, ist die Produktion von Photovoltaikmodulen unter Zwangsarbeit, etwa in der chinesischen Region Xinjiang. Dies widerspricht klar den Prinzipien der EU-Taxonomie, auch wenn das Produkt selbst zur Energiewende und somit zu den Umweltzielen der EU beiträgt. Die Einhaltung der Minimum Safeguards ist daher nicht nur rechtlich relevant, sondern auch entscheidend für Glaubwürdigkeit und Reputationsrisiken im Rahmen nachhaltiger Finanzierungen.

Strategische Relevanz der EU-Taxonomie für den Mittelstand

Auch wenn mittelständische Unternehmen nicht direkt von der EU-Taxonomie betroffen sind (auch im Zuge des Omnibusvorschlags), nimmt ihre Bedeutung spürbar zu, z.B. entlang von Lieferketten, im Zugang zu Kapital oder bei der Vergabe von Aufträgen. Banken, Investoren, große Kunden oder öffentliche Auftraggeber orientieren sich zunehmend an den Kriterien der EU-Taxonomie, wenn es um Finanzierungsentscheidungen, Partnerschaften oder Nachhaltigkeitsbewertungen geht.

Für Unternehmen im Mittelstand entsteht daraus eine strategische Chance: Wer die eigene Geschäftstätigkeit systematisch analysiert, Potenziale identifiziert und entsprechende Verbesserungen anstößt, kann sich gezielt auf kommende Anforderungen vorbereiten und sich als glaubwürdiger, nachhaltiger Marktakteur positionieren.

 

Die EU-Taxonomie kann dabei helfen, das eigene Geschäftsmodell neu zu denken:

  • Liegt das Kerngeschäft in einem von der EU-Taxonomie erfassten Bereich (d.h. das Kerngeschäft kann einer taxonomiefähigen Wirtscahftsaktivität zugeordnet werden), kann geprüft werden, wie Produkte oder Prozesse verbessert werden können, um taxonomiekonform zu sein.

  • Bei Unternehmen ohne direkt taxonomiefähiges Kerngeschäft lohnt sich der Blick auf Nebenaktivitäten, etwa den Betrieb erneuerbarer Energieanlagen oder Gebäudesanierungen.

  • Selbst für eine grundlegende Neuausrichtung des Geschäftsmodells kann die EU-Taxonomie einen strategischen Orientierungsrahmen bieten, indem die Kriterien für eine Ausrichtung hin zu mehr Nachhaltigkeit und Zukunftsfähigkeit genutzt werden.

Ein Einstieg besteht für Unternehmen darin, sich zunächst einen Überblick zu verschaffen: Welche Tätigkeiten übt das Unternehmen konkret aus? Welche davon sind im Aktivitätskatalog der EU-Taxonomie gelistet? Mit Hilfsmitteln wie dem EU-Taxonomie-Kompass lässt sich diese Analyse strukturiert angehen. Darauf aufbauend können Unternehmen technische Kriterien prüfen, interne Prozesse evaluieren und erste Handlungsfelder ableiten.

Fazit: Orientierung schaffen, Zukunft gestalten

Die EU-Taxonomie ist mehr als ein technisches Klassifikationssystem. Sie schafft einen verbindlichen Rahmen, um wirtschaftliche Aktivitäten im Hinblick auf ökologische Nachhaltigkeit messbar und vergleichbar zu machen und setzt damit einen wichtigen Impuls für die Transformation der europäischen Wirtschaft.

Für mittelständische Unternehmen liegt der strategische Wert vor allem in der Klarheit, die die EU-Taxonomie bietet: Sie ermöglicht es, die eigene Position zu reflektieren, Nachhaltigkeit im Kerngeschäft oder in Nebenaktivitäten sichtbar zu machen und gezielt Weiterentwicklungen anzustoßen.

Auch wenn keine direkte Berichtspflicht besteht, lohnt sich die Auseinandersetzung, nicht zuletzt mit Blick auf zukünftige Marktanforderungen, Partnerschaften und mögliche Finanzierungsvorteile. Diejenigen, die frühzeitig handeln, sichern sich nicht nur regulatorische Resilienz, sondern auch eine klare Position im nachhaltigen Wirtschaftssystem von morgen.

Update zur EU-Taxonomie: Erleichterungen und Klarstellungen durch das Omnibus-Paket (veröffentlicht am 4. Juli 2025)

Mit der EU-Taxonomie hat die Europäische Kommission ein zentrales Instrument geschaffen, um Kapitalflüsse gezielt in ökologisch nachhaltige Wirtschaftsaktivitäten zu lenken. In der Praxis war die Umsetzung jedoch für viele Unternehmen (insbesondere im Mittelstand) mit erheblichem Aufwand und Unsicherheit verbunden. Zu komplexe Berichtsformate, unklare Prüfkriterien und fehlende Materialitätsschwellen führten oft dazu, dass die Taxonomie als übermäßig bürokratisch wahrgenommen wurde.
Vor diesem Hintergrund hat die EU-Kommission am 4. Juli 2025 einen delegierten Rechtsakt zur Änderung der EU-Taxonomie-Offenlegungsverordnung sowie der Klima- und Umwelt-delegierten Rechtsakte veröffentlicht. Ziel ist es, die Anwendung der EU-Taxonomie zu vereinfachen, betroffene Unternehmen zu entlasten und die EU-Taxonomie gleichzeitig praxistauglich zu halten.

Die wichtigsten Änderungen im Überblick

1. Einführung von Materialitätsschwellen

Erstmals wird ein Konzept finanzieller Wesentlichkeit in der EU-Taxonomie formal eingeführt. Unternehmen müssen künftig nur noch über Aktivitäten berichten, die für sie finanziell wesentlich sind. Konkret heißt das:

  • Aktivitäten, die kumulativ weniger als 10 % der jeweiligen Kennzahl (Umsatz, CapEx oder OpEx) ausmachen, müssen nicht mehr berichtet werden

  • Die Wesentlichkeit muss für jede Kennzahl separat geprüft werden

  • Unternehmen können den Zähler des OpEx-KPIs mit null angeben, wenn OpEx für ihr Geschäftsmodell nicht wesentlich sind (inkl. Begründung für Nicht-Wesentlichkeit).

2. Vereinfachte Berichtsvorlagen

Die bisher sehr detaillierten Tabellen und Formate zur Berichterstattung wurden grundlegend überarbeitet.Die wichtigsten Änderungen sind:

  • Überarbeitetes Template: Eine zusammenfassende Übersichtstabelle sowie bis zu drei separate Templates (für Umsatz, CapEx, OpEx)

  • Die Zahl der zu berichtenden Datenpunkte wird massiv reduziert

  • Wegfall redundanter Informationen (z. B. Aufschlüsselung nach Umweltzielen, Bericht über nicht-erfasste Aktivitäten)

3. Überarbeitung der DNSH-Kriterien

Das Prinzip „Do No Significant Harm“ (DNSH) ist nach wie vor ein Kernelement der Taxonomie. In der Praxis war die Anwendung jedoch häufig unklar und aufwendig.

Mit dem Omnibus-Paket wurden die DNSH-Anforderungen, insbesondere für das Umweltziel „Vermeidung von Umweltverschmutzung“ konkretisiert und vereinfacht. Der überarbeitete Anhang C bezieht sich auf bestehende EU-Rechtsvorgaben (z. B. REACH, RoHS, POP-Verordnung) und klärt Ausnahmeregelungen sowie die Handhabung besonders besorgniserregender Stoffe.

 

4. Spezifische Erleichterungen für Finanzinstitute

Auch für Banken, Versicherungen und andere Finanzmarktakteure wurde der Anwendungsrahmen angepasst. Zu den wichtigsten Änderungen zählen:

  • Anpassung der Green Asset Ratio (GAR): Gegenparteien ohne CSRD-Pflicht werden nun auch im Nenner ausgeschlossen, was zu realistischeren Quoten führt
  • Materialitätsschwelle auch im Finanzsektor: Eine 10%-Grenze gilt nun auch für Finanzierungen mit bekanntem Verwendungszweck
  • Temporäre Ausnahmeregelungen bis Ende 2027: Finanzinstitute dürfen bis dahin auf detaillierte Templates verzichten, müssen dies aber im Lagebericht begründen
  • Verschiebung einiger KPIs (z. B. Trading Book, Fees & Commissions) auf 2027
  • Wegfall spezieller Vorlagen zu Kernkraft und fossilen Energien

Fazit zum Omnibus-Update

Mit dem Omnibus-Paket schafft die EU-Kommission mehr Klarheit, Verhältnismäßigkeit und Umsetzbarkeit in der Anwendung der EU-Taxonomie. Die Einführung von Materialitätsschwellen, vereinfachte Berichtsvorlagen und präzisierte DNSH-Kriterien nehmen insbesondere mittelständischen Unternehmen und Finanzakteuren unnötige Komplexität.

Damit wird deutlich: Die EU hält am Ziel nachhaltiger Kapitalflüsse fest, reagiert aber auf Rückmeldungen aus der Praxis und macht einen wichtigen Schritt in Richtung einer realistisch anwendbaren, aber weiterhin ambitionierten Nachhaltigkeitsregulierung.

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Sarah Morlok

Senior Consultant Sustainability

Sarah Morlok

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