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Wie die doppelte Wesentlichkeitsanalyse gelingt

Die Wesentlichkeitsanalyse entscheidet, was in den Nachhaltigkeitsbericht gehört – und was nicht. Dieser Artikel zeigt kompakt, was bei der Umsetzung zu beachten gilt.

Mit der EU-Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung, der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD), wird nicht nur die Berichtspflicht deutlich ausgeweitet, sondern auch der Anspruch an inhaltliche Relevanz und strategische Tiefe verschärft.

Die doppelte Wesentlichkeitsanalyse wird dabei zum Dreh- und Angelpunkt des gesamten CSRD-Reportings: Sie entscheidet, welche Themen in den Bericht gehören, welche Kennzahlen erhoben werden müssen – und wie glaubwürdig und wirksam das gesamte Nachhaltigkeitsengagement ist.

 

In diesem Artikel erfahren Sie:

  • Was die CSRD-Wesentlichkeitsanalyse genau ist und wie sie funktioniert
  • Welche Rolle IROs (Impacts, Risks & Opportunities) dabei spielen
  • Wie Sie die relevanten Themen systematisch identifizieren und priorisieren
  • Und wie Sie die Analyse effizient umsetzen
Was ist die CSRD-Wesentlichkeitsanalyse?

Die Wesentlichkeitsanalyse nach CSRD dient dazu, die wichtigsten Nachhaltigkeitsthemen für das eigene Unternehmen systematisch zu identifizieren, zu bewerten und zu priorisieren – und anschließend transparent im Bericht darzustellen. Sie ist keine einmalige Übung, sondern ein fortlaufender Prozess, der regelmäßig überprüft und angepasst werden muss.

Basis für die Wesentlichkeitsanalyse bilden die European Sustainability Reporting Standards (ESRS): Sie definieren, was grundsätzlich berichtet werden kann – z. B. Klima (ESRS E1), Biodiversität (E4), Arbeitnehmerbelange (S1), Unternehmensführung (G1) usw. Die Wesentlichkeitsanalyse prüft, welche dieser Themen für das konkrete Unternehmen relevant und damit berichtspflichtig sind. Insgesamt umfasst der ESRS-Rahmen aktuell über 1000 potenzielle Datenpunkte. (Im Rahmen des Omnibus-Gesetzgebungsverfahrens und der laufenden Revision der ESRS ist jedoch eine deutliche Reduktion der verpflichtenden Datenpunkte geplant.) 

Beispiele für wesentliche Themen:

  • Treibhausgasemissionen (Scope 1, 2, 3)
  • Energie- und Ressourcenverbrauch
  • Arbeits- und Menschenrechte in der Lieferkette
  • Diversität und Gleichstellung
  • Governance- und Compliance-Themen

Was sind die IROs und welche Bedeutung haben sie?

Sobald die wesentlichen Themen auf Basis der ESRS identifiziert sind, geht es in einem nächsten Schritt darum, ihre Auswirkungen, Risiken und Chancen zu bewerten – die sogenannten IROs (Impacts, Risks & Opportunities).

Konkret müssen Unternehmen also analysieren:

  • Welche positiven oder negativen Auswirkungen ihre Geschäftstätigkeit auf Umwelt und Gesellschaft hat.
  • Welche Risiken sich daraus ergeben – z. B. regulatorisch, finanziell oder reputationsbezogen.
  • Welche Chancen durch nachhaltige Innovationen, Effizienzsteigerungen oder neue Märkte entstehen können.

Diese IROs werden dabei entlang der gesamten Wertschöpfungskette betrachtet – von der vorgelagerten Wertschöpfungskette über die Beschaffung über Produktion und Vertrieb bis zur Nutzung und Entsorgung.

Der strukturierte Blick auf IROs bietet die Chance, die Glaubwürdigkeit zu stärken, neue Geschäftsfelder zu erschließen, sich resilienter gegen externe Schocks aufzustellen und regulatorischen Anforderungen souverän zu begegnen.

Welche Rolle spielt dabei die doppelte Wesentlichkeit?

Auf Basis der IRO-Bewertung werden die Themen anschließend nach dem Prinzip der doppelten Wesentlichkeit (Double Materiality Assessment) beurteilt: 

Unternehmen müssen entlang ihrer Wertschöpfungskette sowohl die Auswirkungen ihrer Geschäftstätigkeit auf Umwelt und Gesellschaft (Impact Materiality, auch Inside-Out-Perspektive) als auch die finanziellen Risiken und Chancen, die sich aus Nachhaltigkeitsthemen ergeben (Financial Materiality, Outside-In-Perspektive), betrachten. Ein Thema gilt bereits als wesentlich, wenn es aus einer dieser beiden Perspektiven relevant ist.

Mit dieser Betrachtungsweise werden auch Themen sichtbar, die bisher oft übersehen wurden. Die doppelte Wesentlichkeit wird so zum zentralen Steuerungsinstrument für nachhaltiges Wirtschaften im Rahmen der CSRD. Wer diesen Prozess konsequent verankert, kann Nachhaltigkeit nicht nur nachweisen, sondern aktiv als Wettbewerbsvorteil nutzen.

Wie gelingt die Wesentlichkeitsanalyse?

Die folgende Übersicht fasst zusammen, wie die Wesentlichkeitsanalyse strukturiert und pragmatisch umgesetzt werden kann:

  • 1

    Kontext und Stakeholder verstehen:

    Analysieren Sie zunächst den Unternehmenskontext, inklusive Geschäftsmodell, Wertschöpfungskette und relevanter Stakeholder sowie deren Erwartungen. Vergessen Sie dabei nicht, auch stille Stakeholder (z. B. spezifische Ökosysteme) einzubeziehen.

  • 2

    Auswirkungen, Risiken und Chancen identifizieren:

    Analysieren Sie entlang der gesamten Wertschöpfungskette systematisch alle tatsächlichen und potenziellen Auswirkungen, Risiken und Chancen (IROs). Die AR-16 Liste aus ESRS 1 mit rund 92 Themenbereichen bietet dabei eine wichtige Orientierung zur späteren Einordnung der IROs, reicht aber nicht aus. Sie muss durch eine detaillierte, unternehmensspezifische Analyse ergänzt werden, die auch branchenspezifische und individuelle Nachhaltigkeitsthemen erfasst.

  • 3

    IROs bewerten:

    Bewerten Sie für jede identifizierte IRO die Kriterien Ausmaß, Schweregrad und Unumkehrbarkeit. Bei potenziellen Auswirkungen kommt zusätzlich die Eintrittswahrscheinlichkeit hinzu. Diese Bewertung bildet die Grundlage für die Bestimmung der Wesentlichkeit.

  • 4

    Doppelte Wesentlichkeit bestimmen:

    Prüfen Sie, ob eine IRO aus Impact- oder Financial-Materiality-Sicht die gewählten Schwellenwerte überschreitet und somit wesentlich ist. Schon eine der beiden Perspektiven reicht aus, um Berichtspflicht auszulösen.

  • 5

    Priorisierung und Dokumentation:

    Fassen Sie die wesentlichen Themen zusammen und dokumentieren Sie den Prozess, die Bewertungsmethoden und die Ergebnisse nachvollziehbar. Die Dokumentation ist wichtig für die externe Prüfung und die Glaubwürdigkeit gegenüber Stakeholdern. Viele Unternehmen nutzen dafür inzwischen digitale Tools, um den Prozess effizienter und revisionssicher zu gestalten.

 

Herausforderungen und Chancen 

Unternehmen stehen bei der Umsetzung der CSRD-Wesentlichkeitsanalyse vor verschiedenen Herausforderungen:

  • Fehlende digitale Infrastruktur: In vielen Unternehmen fehlt es noch an zentralen Systemen oder digitalen Tools, um Nachhaltigkeitsdaten effizient zu erfassen, zu verwalten und auszuwerten – was bei Anforderungen von Geschäftspartnern zunehmend relevant werden kann.
  • Ungewohnter Stakeholder-Dialog: Der strukturierte Austausch mit externen Anspruchsgruppen (wie Kund:innen, Lieferant:innen oder zivilgesellschaftlichen Akteuren) oder auch der Einbezug von stillen Stakeholdern ist für viele Unternehmen weiterhin Neuland, gewinnt aber durch indirekte Anforderungen aus der Lieferkette an Bedeutung.
  • Komplexität der Lieferkette: Auch wenn die direkte Berichtspflicht für kleinere Unternehmen entfällt, kann die Zusammenarbeit mit größeren, berichtspflichtigen Kunden neue Anforderungen an Transparenz und Datenerhebung entlang der Wertschöpfungskette mit sich bringen.

Tipp: Starten Sie pragmatisch, nutzen Sie vorhandene Strukturen (wie etwa vorhandene Risikoanalysen) und orientieren Sie sich an branchenspezifischen Leitfäden. Die Durchführung einer doppelten Wesentlichkeitsanalyse kann auch mit externer Unterstützung erfolgen. Regelmäßige Schulungen und der Austausch mit anderen Unternehmen helfen, den Prozess kontinuierlich zu verbessern.

Takeaway

Die Wesentlichkeitsanalyse ist der zentrale Ausgangspunkt für ein effizientes und glaubwürdiges CSRD-Reporting im Mittelstand. Sie sorgt für Fokus, Transparenz und eine klare Priorisierung der wichtigsten Nachhaltigkeitsthemen. Die Investition in eine fundierte Wesentlichkeitsanalyse zahlt sich langfristig durch bessere Steuerung, weniger Risiken und mehr Vertrauen bei Kunden und Partnern aus. Wer frühzeitig beginnt, verschafft sich zudem einen Vorsprung gegenüber Wettbewerbern und kann aktiv die Zukunftsfähigkeit des eigenen Betriebs sichern.

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