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Wie die EU-Taxonomie funktioniert

Welche wirtschaftlichen Aktivitäten gelten als nachhaltig? Die EU-Taxonomie gibt darauf eine verbindliche Antwort.

Die EU-Taxonomie definiert, welche wirtschaftlichen Aktivitäten als ökologisch nachhaltig gelten. Das bringt nicht nur Pflichten, sondern auch Chancen mit sich: Wer seine Geschäftsmodelle und Investitionen an den Kriterien der EU-Taxonomie ausrichtet, überzeugt nicht nur Investoren, sondern erfüllt auch die steigenden regulatorischen Anforderungen.

In diesem Artikel erfahren Sie:

  • Was die EU-Taxonomie ist und wer davon betroffen ist
  • Welche Umweltziele hinter der Taxonomie stehen
  • Welche Berichtspflichten auf Sie zukommen
  • Und wie Sie die EU-Taxonomie im Unternehmen umsetzen

Was ist die EU-Taxonomie und wie funktioniert sie?

Die EU-Taxonomie ist ein Klassifikationssystem, das im Rahmen der EU-Taxonomieverordnung (offiziell bekannt als „Verordnung (EU) 2020/852“) verabschiedet wurde. Es regelt klar und einheitlich, welche wirtschaftlichen Aktivitäten als ökologisch nachhaltig gelten, d. h. einen wesentlichen Beitrag zu mindestens einem der sechs EU-Taxonomie-Umweltziele leisten ("Substantial Contribution"), ohne die anderen Ziele erheblich zu schädigen („Do No Significant Harm“):

  1. Klimaschutz
  2. Anpassung an den Klimawandel
  3. Nachhaltige Nutzung und Schutz von Wasser- und Meeresressourcen
  4. Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft
  5. Vermeidung und Verminderung von Umweltverschmutzung
  6. Schutz und Wiederherstellung von Biodiversität und Ökosystemen

Eine wirtschaftliche Aktivität fällt dann unter die EU-Taxonomie, d. h. ist taxonomiefähig, wenn sie im EU-Taxonomie-Katalog gelistet ist. Die Zuordnung erfolgt in der Regel anhand von NACE-Codes (Statistische Systematik der Wirtschaftszweige in der Europäischen Gemeinschaft). 

Anhand technischer Kriterien, sogenannter „Technical Screening Criteria“ (TSC), wird anschließend geprüft, ob eine Aktivität als ökologisch nachhaltig gilt und damit taxonomiekonform ist. Die TSC sind wissenschaftlich fundierte Vorgaben, die für jede wirtschaftliche Tätigkeit festlegen, welche Umweltanforderungen erfüllt werden müssen – etwa Grenzwerte für Emissionen oder Anforderungen an Ressourceneffizienz

Wer wissen möchte, wie die Taxonomie im Detail funktioniert, findet in der EU-Taxonomie-Verordnung Anhang 1 alle technischen Kriterien und Beispiele für die Umsetzung.

Was sind die Chancen der EU-Taxonomie?

Die EU-Taxonomie bringt nicht nur neue Berichtspflichten mit sich – sie eröffnet auch Chancen:

  • Klarheit & Vergleichbarkeit: Die Klassifizierung schafft eine gemeinsame Sprache für Nachhaltigkeit und ermöglicht objektive Vergleiche zwischen Unternehmen und Wirtschaftsaktivitäten.
  • Schutz vor Greenwashing: Durch die klaren Kriterien und die Prüfpflicht werden falsche Nachhaltigkeitsversprechen erschwert.
  • Zugang zu Kapital: Investoren und Banken bevorzugen taxonomiekonforme Unternehmen, da sie regulatorisch begünstigt werden und besser in nachhaltige Finanzprodukte passen.
  • Wettbewerbsvorteil: Wer frühzeitig die Taxonomie-Anforderungen erfüllt und transparent berichtet, positioniert sich als Vorreiter im Markt.

Wer ist von der EU-Taxonomie betroffen?

Die Berichtspflicht zur EU-Taxonomie gilt für große Unternehmen, die bereits unter die NFRD/CSR-RUG fallen, seit 2022. Mit der CSRD sollte der Kreis der berichtspflichtigen Unternehmen ursprünglich deutlich erweitert werden. Nach der Omnibus-Verordnung sind ab dem Geschäftsjahr 2027 (Bericht in 2028) jedoch nur noch jene Unternehmen verpflichtet, Angaben zur EU-Taxonomie zu machen, die im Jahresdurchschnitt mehr als 1000 Mitarbeitende beschäftigen und einen Umsatz von über 450 Millionen Euro ausweisen.

Die ursprünglich vorgesehene Berichtspflicht für kapitalmarktorientierte kleine und mittlere Unternehmen (KMU) entfällt nach aktuellem Stand komplett.

Hinweis: Die Schwellenwerte und der Zeitplan können sich durch die finale Verabschiedung der Omnibus-Verordnung noch ändern. Die aktuell gültigen Werte und Fristen sind jedoch wie oben beschrieben.

EU-Taxonomie und CSRD: Wie greifen die Regelwerke ineinander?

Die CSRD verpflichtet betroffene Unternehmen zu einer umfassenden ESG-Berichterstattung, zu der auch die EU-Taxonomie-Berichtspflicht gehört. Grundlage hierfür bildet Artikel 8 der EU-Taxonomieverordnung: Er legt verbindlich fest, welche Kennzahlen Unternehmen in ihren CSRD-Berichten ausweisen müssen – insbesondere den Anteil der taxonomiekonformen Umsätze, Investitionen (CapEx) und Betriebsausgaben (OpEx).

Konkret müssen Unternehmen, die bereits unter die bisherige EU-Taxonomie-Berichtspflicht fallen, für das Berichtsjahr 2024 für alle sechs Umweltziele angeben, in welchem Umfang ihre wirtschaftlichen Aktivitäten grundsätzlich taxonomiefähig sind (Eligibility). Die detaillierte Offenlegung der Taxonomie-Konformität (Alignment) – also in welchem Umfang diese Aktivitäten auch die technischen Kriterien erfüllen – ist für dieses Jahr nur für die ersten beiden Umweltziele (Klimaschutz und Anpassung an den Klimawandel) verpflichtend. Die vollständige Alignment-Berichtspflicht für alle sechs Umweltziele gilt erst ab dem Berichtsjahr 2025. Ab dem Geschäftsjahr 2027 (Berichte in 2028) werden die Berichtspflichten wie bereits erwähnt voraussichtlich auf Unternehmen mit mehr als 1000 Mitarbeitenden und über 450 Millionen Euro Umsatz beschränkt.

Beispiel: Taxonomie-Kennzahlen eines Maschinenbauunternehmens

Am Beispiel eines Maschinenbauunternehmens lässt sich im Überblick zeigen, wie Umsätze, Investitionen und Betriebsausgaben im Sinne der EU-Taxonomie berichtet werden können – und wie sich Nachhaltigkeit in Zahlen übersetzen lässt.

  1. Umsätze
  • Gesamtumsatz: 100 Mio. €
  • Taxonomiefähiger Umsatz: 50 Mio. € (50%)
  • Taxonomiekonformer Umsatz: 35 Mio. € (35%)

Erläuterung: 50% des Umsatzes stammen aus Aktivitäten, die grundsätzlich in der EU-Taxonomie erfasst sind (z. B. Herstellung energieeffizienter Maschinen). Von diesen erfüllen 35% auch die strengen technischen Bewertungskriterien und gelten als "ökologisch nachhaltig" – etwa energieeffiziente Produktionsanlagen, die nachweislich zur Dekarbonisierung der Industrie beitragen.

  1. Investitionen (CapEx)

  • Gesamtinvestitionen: 10 Mio. €

  • Taxonomiefähige CapEx: 6 Mio. € (60%)

  • Taxonomiekonforme CapEx: 4 Mio. € (40%)

Erläuterung: 60% der Investitionen betrafen taxonomiefähige Bereiche, etwa den Ausbau der Produktionskapazitäten für energieeffiziente Maschinen. Von diesen 6 Mio. € erfüllen 4 Mio. € (40% der Gesamtinvestitionen) alle Taxonomie-Kriterien – beispielsweise eine neue Produktionslinie, die ausschließlich besonders energieeffiziente Anlagen herstellt.

  1. Betriebsausgaben (OpEx)
  • Gesamtbetriebsausgaben: 20 Mio. €
  • Taxonomiefähige OpEx: 5 Mio. € (25%)
  • Taxonomiekonforme OpEx: 2 Mio. € (10%)

Erläuterung: 25% der Betriebsausgaben stehen im Zusammenhang mit taxonomiefähigen Aktivitäten. Von diesen erfüllen 2 Mio. € (10% der Gesamtbetriebsausgaben) alle Taxonomie-Anforderungen – etwa Wartung, Reparaturen und Instandhaltung von Anlagen, die zur Herstellung ökologisch nachhaltiger Produkte eingesetzt werden.

Schritt-für-Schritt: So gelingt die EU-Taxonomie-Umsetzung im Unternehmen

Die Anforderungen der EU-Taxonomie wirken auf den ersten Blick komplex – doch mit dem richtigen Vorgehen wird daraus ein klar strukturierter Prozess. Unterstützung bietet der EU Taxonomy Navigator: eine digitale Unterstützung der EU-Kommission, die die Anforderungen je Wirtschaftsaktivität auflistet und mit einem Calculator Tool die Berechnung der Kennzahlen unterstützt.

Darüber hinaus empfiehlt sich ein praxisbewährtes Vorgehen in fünf Schritten – von der Identifikation betroffener Aktivitäten bis zur prüffähigen Offenlegung im Nachhaltigkeitsbericht:

  1. Aktivitäten identifizieren (Taxonomy Eligibility): Überprüfen Sie, welche Ihrer wirtschaftlichen Aktivitäten überhaupt unter die EU-Taxonomie fallen und grundsätzlich als "taxonomiefähig" gelten (z. B. anhand der NACE-Codes).
  2. Technische Kriterien prüfen (Taxonomy Alignment): Analysieren Sie, ob und in welchem Umfang Ihre Aktivitäten die technischen Bewertungskriterien und das DNSH-Prinzip erfüllen, also “taxonomiekonform” sind.
  3. Kennzahlen berechnen: Ermitteln Sie den Anteil taxonomiefähiger und taxonomiekonformer Umsätze, CapEx und OpEx.
  4. Offenlegung im ESG-Report: Integrieren Sie die Taxonomie-Daten in Ihren CSRD-konformen Nachhaltigkeitsbericht.
  5. Externe Prüfung und Digitalisierung: Stellen Sie sicher, dass Ihre Daten prüfbar, konsistent und maschinenlesbar sind.

Kurzum: Starten Sie jetzt mit der Analyse Ihrer Aktivitäten, bauen Sie internes Know-how auf und nutzen Sie digitale Tools für die Datenerhebung und Berichterstattung.

Herausforderungen und Praxistipps

Die Umsetzung der EU-Taxonomie bringt nicht nur Chancen, sondern auch konkrete Herausforderungen mit sich. Die folgenden Punkte helfen dabei, zentrale Hürden realistisch einzuschätzen und pragmatische Lösungen zu finden.

  • Komplexität: Die Vielzahl an Kriterien und laufenden Änderungen durch neue Delegated Acts erfordert kontinuierliche Weiterbildung und Anpassung der Prozesse.
  • Datenmanagement: Eine saubere Datenerhebung und -aufbereitung ist entscheidend. Digitale Tools und spezialisierte Softwarelösungen helfen, den Aufwand zu bewältigen.
  • Lieferkette: Die Einbindung von Scope-3-Daten (vorgelagerte und nachgelagerte Wertschöpfung) wird zunehmend wichtiger.
  • Kommunikation: Transparenz und Klarheit im CSRD-Report stärken das Vertrauen von Investoren, Kunden und Mitarbeitenden.

Aktuelle Entwicklungen 2025

Um die Anwendung der EU-Taxonomie zu erleichtern, hat die EU-Kommission im Februar 2025 folgende Vereinfachungen und Anpassungen vorgeschlagen:

  • Reduktion der Berichtsdatenpunkte um rund 70 %: Die Reporting-Templates sollen schlanker und praxistauglicher werden.
  • Materialitätsgrenze: Unternehmen müssen nur noch für Aktivitäten Bericht erstatten, die mindestens 10 % des Umsatzes, der Investitionen oder der Vermögenswerte ausmachen.
  • Green Asset Ratio (GAR): Für Banken wird die Berechnung angepasst, um Unternehmen außerhalb des CSRD-Umfangs auszuklammern.
  • Teilweise Taxonomie-Konformität: Es wird diskutiert, ob Unternehmen künftig auch „teilweise konforme“ Aktivitäten ausweisen dürfen.

Die Umsetzung dieser Änderungen ist für Berichtsjahr 2025 geplant, hängt jedoch von der finalen Verabschiedung der delegierten Rechtsakte ab.

Ausblick: Was bringt die Zukunft der EU-Taxonomie?

Die EU-Taxonomie-Timeline ist dynamisch: Neue delegierte Rechtsakte und Anpassungen werden regelmäßig veröffentlicht. Für 2025/2026 sind weitere Anpassungen und Vereinfachungen geplant, insbesondere für kleinere Unternehmen und für komplexe technische Kriterien („Omnibus-Paket“). Die Einführung einer EU Social Taxonomy, die soziale Nachhaltigkeitsaspekte systematisch abbildet, wird ebenso diskutiert. Es empfiehlt sich, die Entwicklungen eng zu verfolgen, um rechtzeitig auf neue Anforderungen reagieren zu können.

Takeaway

Die EU-Taxonomie ist weit mehr als ein bürokratisches Regelwerk – sie ist der neue Standard für nachhaltiges Wirtschaften in Europa. Für Unternehmen ist sie Chance und Herausforderung zugleich: Wer die Taxonomie versteht, umsetzt und transparent berichtet, gewinnt das Vertrauen von Investoren, Kunden und Mitarbeitenden und sichert sich Zugang zu nachhaltigen Finanzierungen.

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Sarah Morlok

Senior Consultant Sustainability

Sarah Morlok

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