EU Green Deal in Bewegung: Aktuelle Änderungen durch Omnibus & Co. im Überblick

Anna Lichtenthaeler
Mit dem Omnibus-Paket der EU-Kommission vom Dezember 2024 hat die Europäische Union einen wichtigen Schritt unternommen, um die Vielzahl der Nachhaltigkeitsregulierungen im Rahmen des Green Deals zu vereinfachen. Der Green Deal verfolgt das übergeordnete Ziel, Europa bis 2050 klimaneutral zu machen. Er soll sicherstellen, dass die EU-Wirtschaft nachhaltig wächst und gleichzeitig den Planeten bzw. dessen Fähigkeiten zur Bereitstellung von Leistungen nicht schädigt. Der Green Deal ist eine der zentralen Strategien der EU, um den globalen Klimawandel zu bekämpfen und eine nachhaltige Zukunft zu sichern.
Das Omnibus-Paket ist kein neues Regelwerk im Rahmen des Green Deals, sondern eine gezielte Nachjustierung bestehender Vorschriften. Ziel ist es, die praktische Umsetzung insbesondere für kleine und mittelständische Unternehmen zu vereinfachen und dort zu entbürokratisieren, wo Regelungen als überkomplex oder unverhältnismäßig empfunden wurden.
Im Fokus des Vorschlags stehen vier zentrale Regulierungen:
- die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) mit den zugehörigen European Sustainability Reporting Standards (ESRS),
- die EU-Taxonomie als Klassifikationssystem für nachhaltige Wirtschaftsaktivitäten,
- der CO₂-Grenzausgleichsmechanismus (CBAM),
- sowie die geplante Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD) zur nachhaltigen Unternehmensführung entlang der Lieferkette.
Im Folgenden zeigen wir die wichtigsten Änderungen und Klarstellungen auf, die sich aktuell in den Nachhaltigkeitsregularien ergeben – und was sie für Unternehmen konkret bedeuten. Dabei handelt es sich bislang in den meisten Fällen lediglich um Vorschläge der EU-Kommission, die noch mit dem Europäischen Parlament und dem Rat diskutiert werden müssen. Bereits beschlossene Änderungen werden explizit so beschrieben.
CSDDD: Lieferkettenpflichten neu zugeschnitten
Die Sorgfaltspflichten entlang der Lieferkette sollen gemäß Omnibus-Paket gezielter gefasst werden: Die Prüfungspflicht soll sich künftig auf eigene Aktivitäten, Tochtergesellschaften und direkte Geschäftspartner beschränken. Für indirekte Partner müssten Unternehmen nur dann Maßnahmen ergreifen, wenn glaubhafte Hinweise auf negative Auswirkungen vorliegen. Außerdem sollen Übergangspläne zum Klimaschutz zukünftig angenommen, aber nicht mehr zwingend umgesetzt werden müssen. Zudem ist geplant, dass von KMU-Partnern mit weniger als 500 Mitarbeitenden nur noch ein reduzierter Informationsumfang verlangt werden darf. Bei der zivilrechtlichen Haftung soll die EU-weite Harmonisierung aufgegeben werden, sodass künftig nationale Regelungen greifen. Insgesamt bleibt die Sorgfaltspflicht zwar bestehen, ihr Anwendungsbereich würde bei Umsetzung des Vorschlags aber deutlich eingeschränkt.
CBAM: Vereinfachung durch Standardwerte und Fristverlängerungen
Beim CO₂-Grenzausgleichsmechanismus (CBAM) sollen Importeure künftig stärker auf von der Kommission bereitgestellte Standardwerte (EUR/t CO₂e) für Drittländer zurückgreifen können, was insbesondere kleinen Unternehmen helfen soll, ihre Berichtspflichten zu erfüllen. Eine neue Mengenschwelle von 50 Tonnen betroffener Güter pro Jahr soll die bestehende Grenze von 150€ ersetzen, wodurch kleinere Importvolumen von der Berichtspflicht ausgenommen werden. Die Frist zur jährlichen CBAM-Erklärung soll auf den 31. August verlängert werden, und auch bei den Zertifikaten soll die Flexibilität durch geringere Abdeckungsquoten zu Quartalsende und eine Fristverschiebung für den Kauf von Zertifikaten steigen. Gleichzeitig ist es geplant, die Verifizierungspflicht bei Nutzung von Standardwerten entfallen zu lassen.
CSRD: Mehr Zeit und weitere Eingrenzung der betroffenen Unternehmen
Bei der CSRD und den zugehörigen Berichtspflichten nach den ESRS ist die Frist zur Anwendung für große Unternehmen und kapitalmarktorientierte KMU bereits um zwei Jahre verschoben worden. Dadurch haben diese Unternehmen mehr Zeit, sich auf die Nachhaltigkeitsberichterstattung im Rahmen der CSRD vorzubereiten.
Des Weiteren wurden durch einen Delegierten Rechtsakt vom 11. Juli 2025 einzelne Berichtspflichten der CSRD für Unternehmen der ersten Anwendungswelle aufgeschoben. So dürfen Unternehmen der ersten Welle bestimmte Angaben – etwa zu den Standards ESRS E4 (Biodiversität) sowie S2, S3 und S4 (Soziales) – bis einschließlich 2026 auslassen. Die schrittweise Einführung der Berichtspflichten wurde außerdem auf Unternehmen mit mehr als 750 Mitarbeitenden ausgeweitet.
Im Rahmen der noch geplanten Änderungen sollen die Schwellenwerte zur Bestimmung der Berichtspflicht angehoben werden, was dazu führen würde, dass kleinere Unternehmen erst später oder gar nicht in den Anwendungsbereich fallen. Geplant sind außerdem Entlastungen bei der Prüfungspflicht: Die Anforderungen an die externe Prüfung der Nachhaltigkeitsberichte sollen auf die Prüfung mit "limited assurance" reduziert werden. Insgesamt zielen die Maßnahmen darauf ab, die CSRD praktikabler und ressourcenschonender umzusetzen – ohne das Ziel der Vergleichbarkeit aufzugeben.
EU-Taxonomie: Neue Klarheit und Übergangsfristen bei Umweltzielen
Für Unternehmen, die nur aufgrund der CSRD unter die EU-Taxonomie fallen, betreffen die zeitliche Verschiebung der Berichtspflichten der CSRD und die diskutierten neuen Schwellenwerte auch die Erstellung des Taxonomieberichts. Die genannten Unternehmen haben demnach auch für die EU-Taxonomie mehr Zeit oder fallen zukünftig eventuell nicht unter deren Vorschriften.
Mit einem neuen delegierten Rechtsakt vom 4. Juli 2025 hat die EU außerdem bereits mehrere tatsächliche Änderungen an der Taxonomieverordnung vorgenommen. Die Anforderungen an Unternehmen werden dabei insbesondere durch zwei Aspekte erleichtert: Einerseits eine klarere Definition, wann eine Tätigkeit ein Umweltziel wesentlich beeinträchtigt (DNSH-Kriterien), und andererseits durch die Einführung einer neuen Materialitätsschwelle, durch welche nur wirtschaftliche Aktivitäten auf Taxonomie-Konformität geprüft werden müssen, die mehr als 10% von Umsatz, CapEx oder OpEx ausmachen.
Was Unternehmen jetzt tun sollten: Orientierung finden, Entscheidungen treffen, aktiv werden
Auch wenn einige Anforderungen durch das Omnibus-Paket abgeschwächt oder zeitlich gestreckt werden, ist zurücklehnen jetzt keine Option. Im Gegenteil: Die aktuelle Phase bietet eine wertvolle Gelegenheit, die gewonnene Zeit und Flexibilität aktiv zu nutzen, um die eigene Organisation zukunftsfähig aufzustellen. Wer jetzt handelt, kann in Ruhe Strukturen aufbauen, Datenqualität sichern und Nachhaltigkeit gezielt in Geschäftsprozesse integrieren – bevor der nächste Druckmoment kommt.
Denn klar ist: Die Erwartungen an unternehmerische Nachhaltigkeit wachsen – ob aus der Regulierung, aus der Lieferkette oder vom Kapitalmarkt. Jetzt ist der richtige Zeitpunkt, die eigenen Grundlagen zu stärken und strategische Entscheidungen vorzubereiten.
Dabei helfen sechs konkrete Handlungsfelder:
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1
Regulatorische Klarheit schaffen
Ein klarer Überblick ist entscheidend: Welche Regelwerke gelten für mein Unternehmen? Ab wann? Und mit welchen Konsequenzen? Ob CSRD, EU-Taxonomie, CSDDD, CBAM oder andere Rahmenwerke, der Einstieg beginnt mit der systematischen Einordnung: Bin ich direkt betroffen oder indirekt über Kunden, Lieferanten oder Finanzierer? Und wie viel Vorlaufzeit brauche ich, um gut auf die Regelungen vorbereitet zu sein?
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2
Anforderungen und Erwartungen sammeln
Nationale und internationale Regulierungen sind nur ein Teil des Bildes. Immer wichtiger werden die Fragen: Was fordern externe Stakeholder (Kunden, Banken, Versicherungen)? Und was erwarten interne Anspruchsgruppen (Mitarbeitende, Geschäftsführung, Eigentümer)? Eine strukturierte Sammlung dieser Anforderungen hilft dabei, Prioritäten richtig zu setzen.
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3
Ambitionsniveau definieren
Unternehmen sollten bewusst entscheiden: Wollen wir einfach das erfüllen, was aus regulatorischer Sicht Pflicht für uns ist, oder wollen wir Nachhaltigkeit als strategische Chance nutzen? Wer frühzeitig Klarheit über das eigene Ambitionsniveau gewinnt, kann seine Maßnahmen gezielter aufbauen und Ressourcen sinnvoll einsetzen. Ein klar definiertes Ambitionsniveau schafft zudem die Grundlage für eine konsistente und glaubwürdige interne und externe Kommunikation zum Thema Nachhaltigkeit.
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4
Datenlage analysieren
Welche Nachhaltigkeitsdaten benötigen wir – jetzt und in Zukunft? Viele Unternehmen stellen fest: Es gibt erste Daten, aber sie sind unvollständig, verstreut oder veraltet. Eine saubere Bestandsaufnahme ist der erste Schritt, um Lücken zu erkennen und gezielt zu schließen.
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5
Datenmanagement aufbauen
Daten allein genügen nicht – sie müssen organisiert, aktuell und abrufbar sein. Insbesondere bei Prüfungen, Ratings oder Kundennachfragen ist es essenziell, verlässliche Nachhaltigkeitsdaten strukturiert vorhalten zu können. Das bedeutet Prozesse, Verantwortlichkeiten und IT-Lösungen müssen mitwachsen.
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6
Projekte priorisieren
Nicht alles geht auf einmal. Deshalb stellt sich die Frage: Welche Nachhaltigkeitsinformationen brauchen wir kurzfristig, um regulatorische Anforderungen zu erfüllen? Und ebenso wichtig: Welche Maßnahmen stärken langfristig unser Geschäftsmodell, etwa durch Innovationspotenziale, Kostensenkungen oder Marktzugang?
Fazit: Jetzt ist der richtige Zeitpunkt zu handeln
Die politischen Verhandlungen, Verschiebungen und Präzisierungen im Rahmen des Green Deals schaffen zwar an manchen Stellen Erleichterung und Spielräume – doch sie ändern nichts am langfristigen Kurs: Nachhaltigkeit bleibt eine zentrale Gestaltungsaufgabe für Unternehmen. Gerade weil es aktuell Spielraum und Orientierungshilfen gibt, lohnt es sich, diesen Moment zu nutzen: für die strategische Auseinandersetzung mit dem eigenen Ambitionsniveau, für den Aufbau robuster Strukturen und für die Vorbereitung auf das, was kommt.
Wer jetzt handelt, kann nicht nur künftige Anforderungen souverän erfüllen, sondern die Entwicklung aktiv mitgestalten, Vertrauen bei Kunden und Geschäftspartnern stärken und sich als zukunftsfähiges Unternehmen positionieren.
Die Frage ist also nicht, ob man sich mit Nachhaltigkeit beschäftigt – sondern wie bewusst und wie konsequent man jetzt vorangeht.